Die Lage der Eventbranche: die Perspektive von Techkonferenz-Veranstalter*innen und Entwickler*innen
„Ich glaube nicht, dass sich der wesentliche Grund, warum Menschen an Konferenzen teilnehmen, geändert hat oder sich ändern wird – es geht um sinnhaltige Verbindungen.“
Kevin McDonald, Chief Commercial Officer von Web Summit
TL;DR
Die Eventbranche musste sich infolge der Pandemie stark verändern, und dieser Wandel setzt sich weiter fort. Weltweit mussten sich alle Beteiligten – Teilnehmende, Vortragende, Veranstalter und Sponsoren – auf diese neue Realität einstellen.
Während der Vorbereitung der JetBrains-Connect-Folge Nr. 8 fragten wir Teilnehmende und Organisator*innen, wie die Branche diese neuen Herausforderungen angeht und welche Zukunftsaussichten sie für die Branche sehen.
Das Marktforschungs- und Analyseteam von JetBrains interviewte im Mai und Juni fünf Organisator*innen von Techkonferenzen und veröffentlichte eine Umfrage. Die Umfrage wurde von insgesamt 801 Personen beantwortet, die während der Pandemie an Konferenzen teilgenommen haben. Ca. 98% bezeichneten sich als Teilnehmende, 23,5% als Vortragende, 8,6% als Organisator*innen und 2,1% als Sponsor*innen. (Die Befragten konnten mehrere Rollen angeben.) Die Befragten waren zum Großteil Entwickler*innen (79,6%); sie kamen aus den USA (10,8%), Deutschland (8,4%), Russland (7,7%), Indien (4,9%), Polen (4,1%), der Ukraine (3,7%), Brasilien (3,6%), Spanien (3,5%), China (3,3%) und Italien (3,1%).
Folgende Erkenntnisse haben wir dabei gewonnen:
- Da die Veranstaltungsbranche durch die Pandemie hart getroffen wurde, stehen Konferenzveranstalter unter Druck, ihre Aktivitäten zu überdenken und neue, kreative Formate zu entwickeln.
- Teilnehmer*innen, Vortragende, Veranstalter und Sponsoren haben allesamt erkannt, dass Onlineformate eine Reihe von Vorteilen bieten – zum Beispiel einen einfacheren Zugang, niedrigere Kosten, ein breiteres Publikum und einfacheres Management. Traditionelle Präsenzkonferenzen hingegen scheinen effektiver fürs Networking zu sein.
- Die Veranstalter setzen auf eine Vielzahl von interaktiven Onlineaktivitäten, darunter Echtzeit-Chats mit Teilnehmenden oder Vortragenden, virtuelle Messestände, reine Audiodiskussionen, Live-Spiele und Wettbewerbe.
- Sowohl Online- als auch Offlineformate scheinen eine Zukunft zu haben – offline für ein direkteres Engagement und online, um ein größeres globales Publikum anzusprechen. Auch hybride Events wird es geben.
- Die Bedeutung von im Voraus aufgezeichneten Inhalten und hochwertig produzierten Videos hat deutlich zugenommen.
Was passiert in der Eventbranche?
Wie hat sich das Verhalten der Teilnehmenden geändert?
Wie bewältigen Veranstalter die Herausforderungen?
Was motiviert Vortragende und Sponsoren zur Teilnahme an Onlinekonferenzen?
Wie wird die Zukunft der Eventbranche aussehen?
Was passiert in der Eventbranche?
Die Eventbranche gehört zu den Bereichen, die am stärksten von der Pandemie getroffen wurden. Neue Beschränkungen und Auflagen zwangen Veranstalter, ihre Herangehensweise zu überdenken und neue Formate anzubieten. Einige Veranstalter sagten ihre großen Konferenzen ab und konzentrierten sich stattdessen auf Online-Events. Unter dem Eventformat „Konferenz“ verstehen wir übrigens ein mehrtägiges Treffen, das zu einem bestimmten Thema oder für eine bestimmte Gemeinschaft ausgerichtet wird. Es kann eine oder mehrere Vortragsreihen enthalten und zieht mehr als 100 Teilnehmer*innen an.
Laut unserer Umfrage haben sich während der Pandemie Online-Events zum führenden Konferenzformat entwickelt. Konkret heißt dies, dass in dieser Zeit 81,5% aller Befragten (als Teilnehmer*innen, Referent*innen, Sponsor*innen oder Organisator*innen) an Onlinekonferenzen teilgenommen haben. Vor der Pandemie hatten nur 34,1% an solchen Veranstaltungen teilgenommen.
Wie hat sich das Verhalten der Teilnehmenden geändert?
Von den Befragten, die sich als Konferenzteilnehmer*innen identifizierten, besuchte die Hälfte im Jahr vor der Pandemie 1 bis 2 Onlinekonferenzen. Seit der Einführung der Beschränkungen hat die Häufigkeit der Teilnahme an Onlinekonferenzen zugenommen.
Die Teilnehmenden scheinen überwiegend positive Erfahrungen mit Onlinekonferenzen gemacht zu haben. Die Mehrheit war mit dem Onlineformat zufrieden. Die Umfrage ergab, dass 75,1% der Befragten auch nach Aufheben der Beschränkungen an virtuellen Konferenzen teilnehmen würden. Außerdem gaben 44% an, dass sich ihre Einschätzung solcher Events verbessert habe.
Auch die Vorteile digitaler Events waren den Teilnehmenden klar. Die Befragten gaben beispielsweise an, dass die Hauptvorteile der Teilnahme an Onlinekonferenzen Zeitersparnis, Zugänglichkeit und Kostenersparnis seien.
Wir wollten auch gerne wissen, was die Befragten zur Teilnahme an Online-Events motivierte. Laut Umfrageergebnissen waren die Top-Ziele für die Teilnahme an Onlinekonferenzen Bildung/Neues lernen und Networking.
Bei den Onlinekonferenzen konnten die Teilnehmenden neue Interaktionsformate ausprobieren. Am häufigsten unter diesen waren Echtzeit-Chats mit Teilnehmenden oder Referent*innen, virtuelle Messestände, reine Audiodiskussionen und Live-Spiele oder Wettbewerbe.
Bei der Erstellung der Infografiken für diesen Blogbeitrag griffen wir auf detailliertere Umfragedaten zurück. Daher können diese Infografiken geringfügig von den Werten abweichen, die im JetBrains-Connect-Video auf YouTube genannt werden.
68,7% der Befragten bestätigten, dass die Onlinekonferenzen, an denen sie teilnahmen, kostenlos waren. Etwa 30,2% gaben an, dass die Kosten der Konferenz von ihnen selbst oder ihrem Arbeitgeber getragen wurden.
Trotz der Vorteile von Onlinekonferenzen vermissten die Teilnehmenden die Live-Kommunikation und berichteten von Zoom-Müdigkeit (aus der übermäßigen Nutzung virtueller Plattformen resultierende Müdigkeit). Die Befragten hoben auch die zentralen Nachteile von Onlinekonferenzen hervor, wie die eingeschränkte Interaktion mit Vortragenden/Teilnehmenden, Networking-Möglichkeiten und die emotionale Erfahrung.
Wie bewältigen Veranstalter die Herausforderungen?
Trotz aller Einschränkungen arrangieren sich viele Veranstalter mit der neuen Realität und haben begonnen, speziellere, stärker technikbasierte und interessantere Lösungen anzubieten. Wir haben Interviews mit den Organisator*innen mehrerer prominenter Techkonferenzen geführt, um zu erfahren, wie sie mit den Herausforderungen umgehen.
Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Interviews:
Wie wir erfahren haben, stützen sich Veranstalter angesichts der aktuellen Ereignislage stark auf ihr Kerngeschäft bzw. auf die Aktivitäten, die sie vor der Pandemie betrieben haben.
Kommerzielle Veranstalter und nichtkommerzielle Organisationen, die mit Konferenzen ihr Jahresbudget bestreiten, wurden von der Pandemie schwer getroffen, da ihnen dadurch eine wichtige Finanzierungsquelle weggebrochen ist. Laut unserer Interviews scheinen Online-Events im Hinblick auf Leadgenerierung und Werbung weniger effektiv zu sein als traditionelle Präsenzveranstaltungen. Daher sind Sponsoren nicht immer gewillt, Geld in Online-Events zu investieren. Auch die Teilnehmenden sind nicht immer bereit, genauso viel für die Tickets zu bezahlen wie bei früheren Offlinekonferenzen. Die Veranstalter solcher kommerzieller Veranstaltungen sind gezwungen, Online-Events anzubieten, aber sie würden gerne wieder zum Offlineformat zurückkehren.
Weniger betroffen sind Veranstalter, deren primäres Ziel nicht darin besteht, Geld einzunehmen (z. B. von Benutzergruppen organisierte Community-Treffen, Konferenzen, die in erster Linie Marketing und Bewusstseinsbildung für ein Produkt oder ein Service betreiben). Diese sind eher geneigt, mit neuen Onlineformaten zu experimentieren.
Einige Veranstalter haben ihre traditionellen Konferenzformate überarbeitet. Zum Beispiel kann eine Konferenz heute aus einstündigen Onlinepräsentationen bestehen, die eine Woche lang täglich stattfinden – das wäre vor der Pandemie kaum möglich gewesen.
Mit dem Aufkommen von Onlinekonferenzen hat auch die Bedeutung von Videoinhalten zugenommen. Der Wunsch, berühmte Vortragende im wirklichen Leben zu sehen, ist heute weniger relevant, und so bestehen kaum Anreize, einen Vortrag live zu verfolgen, wenn man weiß, dass er als Video verfügbar sein wird.
„Ob ich eine Online-Präsentation live miterlebe oder im Anschluss als Video sehe, macht für mich kaum einen Unterschied. Früher oder später veröffentlichen die meisten Konferenzen die Videos sowieso.“
Sandro Mancuso, Mitgründer von Codurance
- Das steigende Interesse an Videoinhalten stellt einen Anreiz dar, zum Beispiel eine Reihe von aufgezeichneten Videodiskussionen zu einem bestimmten Thema zu veröffentlichen statt eine Live-Veranstaltung auszurichten.
„Wir haben einige Events, bei denen wir die Aufzeichnungen im Vorfeld erstellen. So haben wir zum Beispiel kürzlich eine Serie zur Softwaremodernisierung vorbereitet. Dieses Thema ist zentral für uns und passt wirklich optimal zu unseren Services. Also haben wir beschlossen, eine sechsteilige Serie zu konzipieren. Wir haben sie alle aufgezeichnet und sind jetzt in der Schnittphase. Die Veröffentlichung erfolgt bald. Wir haben ein spezielles Marketingteam, das an solchen im Voraus aufgezeichneten Videoinhalten arbeitet.“
Sandro Mancuso, Mitgründer von Codurance
Es ist einfacher geworden, die Qualität der Inhalte zu kontrollieren und Feedback zu erhalten. Veranstalter können auf verschiedene Videostatistiken zugreifen: Anzahl der Aufrufe, Abbruchrate usw. Bei Offlinekonferenzen trauen sich die Leute in der Regel nicht, während einer langweiligen Präsentation aufzustehen und den Raum zu verlassen. Bei Onlinekonferenzen wird der Browsertab hingegen ohne Weiteres geschlossen, wenn es langweilig wird:
„Was ich an virtuellen Events mag, ist, dass man wirklich sieht, wer gute Inhalte abliefert und wer nicht. Man kann sich nicht wie bei Offline-Events hinter einem großen Publikum verstecken, das immer da sitzt, weil die Leute ja schon vor Ort sind. Wenn dem Publikum eine Präsentation in der virtuellen Welt nicht gefällt, wird der Tab geschlossen, und die Leute kommen erst später für einen anderen Vortrag wieder zurück.
Außerdem kann man während einer Konferenz das Auf und Ab der Zuschauerzahlen sehen. Wenn es langweilig wird, fallen die Zahlen. Es geht mehr um den Inhalt und weniger um andere Dinge. Das ist ein großer Vorteil virtueller Konferenzen.“
Sead Ahmetovic, CEO und Mitgründer von WeAreDevelopers
- Veranstalter haben begonnen, sich auf Onlineformate zu konzentrieren und deren Vorteile zu nutzen: ein breiteres Publikum, geringere Zugangsschranken für Teilnehmende und Vortragende sowie weniger Zeit- und Ressourcenaufwand für die Organisation.
„Die virtuellen Events hatten den Vorteil, dass wir tatsächlich Vortragende aus der ganzen Welt gewinnen konnten. Einigen von ihnen wäre es aufgrund der weiten Anreise nicht einmal im Traum eingefallen, an unseren Präsenzveranstaltungen teilzunehmen. Ich erinnere mich, dass ein Referent einmal um 9 Uhr MEZ die erste Sitzung des Tages abhielt, wobei es für ihn in San Diego Mitternacht war. Das war witzig. Aber darin liegt auch eine enorme Chance. Und für uns war das reine Online-Event ein riesiger Erfolg, weil wir plötzlich 1400 Teilnehmende für eine eintägige Veranstaltung hatten.“
Karim Ourtani, Vorstand von dataMinds
Was motiviert Vortragende und Sponsoren zur Teilnahme an Onlinekonferenzen?
Durch die Umfrage und die Interviews konnten wir einige Informationen zu Vortragenden und Sponsoren sammeln. Da nur wenige Umfrageantworten vorliegen, sind diese Informationen als qualitative Erkenntnisse zu betrachten.
Die Perspektive von Vortragenden und Sponsoren
Gemäß unserer Umfrage haben Onlineveranstaltungen für Vortragende und Sponsoren die folgenden großen Vorteile: Zugänglichkeit, Zeit- und Kostenersparnis, einfache Verwaltung der Teilnehmenden und ein breiteres Publikum. Die Möglichkeit, Videos vorab aufzunehmen, wurde ebenfalls als Vorteil genannt.
Die wichtigsten Nachteile waren die eingeschränkte Interaktion mit dem Publikum, unzureichendes Live-Feedback, geringeres Engagement des Publikums, technische Probleme (z. B. schlechte Internetverbindung) sowie unvorhersehbare Teilnehmerzahlen. Fehlende Leads/Verkaufsabschlüsse waren für Sponsoren ein weiteres Manko.
In unseren Interviews wiesen Organisator*innen darauf hin, dass für Vortragende jetzt der wichtigste Vorteil – die Möglichkeit zum Reisen – weggefallen sei. Andererseits hoben sie hervor, dass es für Sponsoren auf Mitarbeitersuche nun leichter ist, die Teilnehmenden von Online-Events zu kontaktieren. Anders als bei Offlinekonferenzen finden solche Interaktionen abseits der Öffentlichkeit statt, und die Teilnehmenden haben weniger Befürchtungen, dass Vorgesetzte oder Kolleg*innen Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern mitbekommen.
Wie wird die Zukunft der Eventbranche aussehen?
In einigen Ländern werden die Beschränkungen aufgehoben und es ist zu hoffen, dass das Leben allmählich wieder in Gang kommt. Uns allen ist jedoch klar, dass die Welt nie mehr die gleiche sein wird. Deshalb haben wir Organisator*innen und Umfrageteilnehmer*innen gefragt, wie sie die Zukunft der Eventbranche sehen.
Die Umfrageteilnehmer*innen sehen langfristig einige wichtige Veränderungen voraus: mehr hybride Konferenzen, erhöhtes Interesse an Videoinhalten und eine zunehmende Erwartung, dass Vorträge aufgezeichnet werden.
Die Organisator*innen betonten in den Interviews, dass Unternehmen, deren Hauptfinanzierungsquelle Konferenzen sind, Offlineformate höchstwahrscheinlich wieder aufnehmen werden. Sowohl Online- als auch Offlineformate bleiben jedoch bestehen – offline für ein direkteres Engagement und online, um ein größeres globales Publikum zu erreichen.
Darüber hinaus werden sich Hybrid-Events herausbilden. In einem Interview wurde zum Beispiel erwähnt, dass Kinos nach Kunden suchen und Verhandlungen mit Veranstaltern aufgenommen haben. Der Anwendungsfall könnte also wie folgt aussehen: Event-Teilnehmer*innen sehen sich die Onlinekonferenz in einer kleinen Gruppe im Kino an (ohne eine weite Anreise antreten zu müssen), und im Anschluss kann eine Diskussion stattfinden. Auf diese Weise verbindet der Veranstalter mehrere physische Standorte über einen Onlinekanal.
Gleichzeitig äußerten fast alle interviewten Organisator*innen eine hohe Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft, da die Eventbranche stark von anderen Branchen abhängig ist.
Die Perspektive von JetBrains
Angesichts unserer bisherigen aktiven Teilnahme an Live-Events vermissen wir bei JetBrains natürlich die persönlichen Begegnungen mit unserer Community. Gleichzeitig veranlassen uns die eingeführten Einschränkungen, uns der neuen Realität anzupassen und unsere Onlineformate und Kontaktpunkte zu verbessern.
JetBrains Connect, die neue JetBrains-Serie auf YouTube, bot uns zum Beispiel trotz der Einschränkungen die Gelegenheit, uns mit IT-Fachleuten über unterschiedliche Themen auszutauschen und von ihnen zu lernen.
In der neuen JetBrains-Connect-Folge auf YouTube sprechen Kevin McDonald, Chief Commercial Officer von Web Summit, sowie Maarten Balliauw und Paul Everitt, JetBrains Developer Advocate Leads für .NET und Web&Data, über die Zukunft von IT-Events.
Sehen Sie sich auch die weiteren Folgen von JetBrains Connect an, verpassen Sie keine JetBrains-Webinare und bleiben Sie über Twitter, Facebook, LinkedIn und Instagram in Kontakt mit uns. Wir freuen uns immer über Feedback und den Dialog mit Ihnen!
Und noch ein Hinweis zum Schluss: Wenn Ihnen dieser Forschungsbericht gefallen hat und Sie daran interessiert sind, an zukünftigen Forschungsprojekten von JetBrains teilzunehmen, melden Sie bitte für unser Forschungspanel an:
Ihr JetBrains-Team
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